

Walter Gropius (1923): Schema zum Aufbau der Lehre am Bauhaus.
Jugendliche entdecken, was in ihnen steckt.
Vorhang auf. Licht an. Rashid, 23 Jahre alt, aus dem Iran tritt in den Raum und präsentiert den versammelten Familienangehörigen, Freunden und Bekannten freudestrahlend das von ihm erfundene Designobjekt. Ein Lautsprecher, gefertigt aus einer abgeschnittenen Glasflasche als Schalltrichter und einem Stück Kupferrohr mit Vertiefung als Tonabnehmer. Smartphone einlegen, Musik anmachen und genießen. Steve Jobs würde staunen.
Rashid ist einer von rund 250 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in den vergangenen acht Jahren unsere Bildungsmanufaktur durchlaufen haben. Hauptschüler, Realschüler und Abiturienten. Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Energiegeladene Jugendliche neben solchen, die gerade nicht wissen, wohin mit sich.
Sie alle treffen über mehrere Monate hinweg auf erfahrene Künstler, Handwerker und Designer, entwickeln Designideen und setzen diese in die Praxis um. Es geht um Berufsorientierung, wie es formell heißt. Wir sprechen lieber von einer persönlichen Entdeckungsreise. Am Ende wissen alle, was in ihnen steckt. Das ist es, was zählt.
Das historische Vorbild: In den 20er-Jahren entwickelte der Künstler Johannes Itten den so genannten Bauhaus-Vorkurs. Jeder, der sich an der gleichnamigen Hochschule in Weimar zum Künstler, Architekten oder Designer ausbilden lassen wollte, musste diesen handwerklich orientierten Basiskurs absolvieren. Noch heute inspiriert die Bauhaus-Pädagogik die Grundausbildung an Kunsthochschulen weltweit.
Die Bildungsmanufaktur gibt es seit 2010. In diesem Jahr richtet sie sich in erster Linie an geflüchtete Jugendliche. Ankommen, Aufholen von Versäumten, Zuversicht und Vertrauen schöpfen in der neuen Umgebung lauten die Ziele. Dafür kommen bis zu 60 Jugendliche jeden Morgen aus ihren Turnhallen und Notunterkünften in die S27, von Montag bis Freitag, sieben Monate lang.
Jeder Tag beginnt mit eineinhalb Stunden Deutschunterricht. Im Anschluss geht es für vier Stunden in die Kreativwerkstätten, den Clan B, die Kochinsel oder die Macherei. Dort wird mit Holz, Metall, Glas, Keramik, Textil, Kunststoff, Papier und mit Lebensmitteln gearbeitet, es wird gekocht, designed, gewerkt.
Die Werkstätten bieten das ideale Umfeld, um sprachliche und mathematische Kenntnisse „by the way“ zu erlernen. Eine wichtige Voraussetzung für den Weg in Schule und Ausbildung. Für jedes abgeschlossene Modul gibt es obendrein ein Zertifikat von der Handwerkskammer.
Perspektiven auftun. Freundschaften schließen. Selbstvertrauen sammeln. Damit das gelingt, finden Exkursionen in Berliner Betriebe statt. Die Trainees kochen, essen und feiern zusammen. Und am Ende jedes Kurses präsentieren sie stolz ihre Arbeiten vor Familienangehörigen, Freunden und Bekannten.
Foto 1,2: Burkhard Peter & Michele Caliari // Foto 3: Yvonne Wadewitz // Foto 4: Michele Caliari // Foto 5: Luis Krummenacher // Foto 6,7: Milly Reid // Foto 8: Aris Kress-Kallidromitis // Foto 9-15: Maximilian Dreusch, Federica Teti // Foto 16,17: Luis Krummenacher

CLAN B
Wir sind eine Gruppe von Jugendlichen aus verschiedenen Ländern, die im Juni 2018 eine Initiative startete, um Menschen in Not zu unterstützen. Wir selber kennen schwierige Zeiten und schiefe Lebenslagen, gerade deshalb wollen wir aktiv werden und anderen helfen. Wir nennen uns „Clan B“ – der Name steht für alternative, nachhaltige Lebensformen und gleichzeitig für Freundschaft und Halt: Wir erproben kreative Formen der Rückendeckung, die wir uns untereinander und anderen Jugendlichen in Notlagen bieten wollen.
BAUEN
Zusammen mit Profis aus Handwerk und Design arbeiten wir in Werkstätten; inzwischen haben wir für unsere Gruppe bereits eine eigene Zentrale und eine mobile Küche gebaut. Wir tüfteln an Do-it-yourself-Strategien gegen Abhängigkeit von der Konsumwelt.
TAUSCH-STATION
Kochen, Musizieren, Diskutieren – das bringt verschiedene Szenen und Kulturen zusammen. Wir treffen uns auf dem Nachbarschaftscampus Dammweg, wo wir uns eine Werkstatt aufgebaut haben!
HELFEN
Ob beim Kinderfest oder in der Obdachlosenunterkunft, beim Nachbarschaftsfest oder im Seniorenheim – wir packen gerne an, wo Unterstützung gebraucht wird.
Mehr zum Projekt HIER!
Fotos: Milly Reid, Aris Kress-Kallidromitis, Alaa Hassan, Luis Krummenacher, Wesam Karema

DIE KOCHINSEL
Wir sind eine Initiative von jungen Menschen, zugereist aus aller Welt, mit vielen verschiedenen Talenten und besonderem Wissen im Gepäck. Uns eint eine Leidenschaft: mit Neugier und Hingabe widmen wir uns der Kochkunst!
TÄGLICHER TREFFPUNKT
Rund um den großen Küchentresen, am Puls der S27, treffen wir uns jeweils am Vormittag. Wir planen, schneiden, waschen, rühren, diskutieren, lachen und verbessern dabei unser Deutsch. Wir verbinden Kochhandwerk mit frischen, gesunden und möglichst saisonalen Zutaten. Ergebnis: gesunde Genüsse, die Gäste und Gruppen der S27 an einen Tisch bringen.
ZUSAMMEN KOCHEN – ZUSAMMEN WACHSEN
Wir erinnern uns an unsere Heimat und kreieren Neues! Wir tauschen Rezepte, Geschichten und Traditionen am Kochherd aus und experimentieren mit visionären Ideen einer Weltküche. So verstehen wir uns als nachhaltiges und transkulturelles Projekt mit den Zielen Perspektiventwicklung, Berufsorientierung und einer großen Portion Empowerment. Ein kompetentes Sozialteam begleitet und berät uns auf dem Weg in die Zukunft.
DRAUSSEN BEI EUCH: CATERING UND SOCIAL MEDIA
Auf Wunsch kommen auch andere Projektteams, Gruppen und Gesellschaften in den Genuss unserer Fusionsküche – wir gestalten individuelles Catering und Fingerfoodkonzepte. Um unsere Lieblingsrezepte und Erfahrungen mit euch zu teilen, ist ein Kochblog auf Instagram eingerichtet (@diekochinsel). Guten Appetit!
DIE MACHEREI
Die Macherei ist Experimentierwerkstatt und Lernort zugleich. Hier entwickeln und gestalten wir überraschende Objekte des Alltags.
WERKSTATT DER MÖGLICHKEITEN
Möbelbau und Designlehre sind langjährige Arbeitsschwerpunkte unserer Werkstätten. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Neugier auf handwerkliche Experimente und die große Wertschätzung von Ressourcen. Wir untersuchen Materialien und traditionelle Techniken und erproben Methoden für kreative Prozesse. Inspiriert ist unser Projekt vom alten Bauhaus-Vorkurs, denn hier wurde in verschiedenen Ateliers der Umgang mit Materialien und gestalterischen Grundprinzipien erlernt.
KOOPERATION MIT OSZ HANS-BÖCKLER-SCHULE
Seit Sommer 2021 werden Jugendliche und junge Erwachsene in einem neuen Kooperationsmodell auf die Teilnahme an einem Lehrgang für die Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (kurz: IBA) am Oberstufenzentrum Hans-Böckler-Schule vorbereitet und später als Schüler*innen begleitet. Handwerkstechniken, die während des IBA Lehrgangs zur Berufsvorbereitung vorgesehen sind, werden in der S27 sowie in gut ausgerüsteten Metallerwerkstätten des OSZ in künstlerischen Lernsettings vermittelt. Es ist ein motivierendes Erlebnis, selbst Designstücke zu entwickeln. Das gibt auch das Selbstvertrauen, sich auf die Herausforderungen des Lernens einzulassen.
STUDIO ƘARFI
»Ƙarfi« ist hausa und steht für Stärke, Kraft und Empowerment. Mit den Mitteln der Kunst werfen wir einen kritischen, dekolonialen Blick auf die Gesellschaft, die Welt und konkrete Lebensrealitäten, die wir verändern wollen.
DEKOLONIAL UND ANTIRASSISTISCH
So setzen wir uns auseinander mit Benachteiligung und Rassismus, die wir selbst erfahren haben und mit kolonialen Kontinuitäten (Straßen, Plätze, Erinnerungsorte), die uns täglich umgeben – in unserem Ladenlokal in der Schlesischen Straße 10/11 entwickeln und gestalten wir unsere künstlerischen Interventionen!
THE COLONIAL WAITING ROOM
In einer ersten Aktion schaffen wir die Installation »The Colonial Waiting Room«. Wir begreifen das Wartezimmer, besonders das uns gut bekannte der deutschen Ausländerbehörden, als kolonialen Raum und laden ein, sich zu denen zu gesellen, die im »Wartezimmer der Geschichte« feststecken. The Decolonial is now. Das nächste Vorhaben wird sich mit der eigenen Produktion von Kleidung mit Upcyclingtechniken beschäftigen und die Bewegung von Altkleidern aus Europa nach Afrika zum Thema haben. Die Ergebnisse unserer kollektiven Arbeit werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die verschiedenen Kursgruppen werden finanziert durch:
- Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin